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Künstliche Intelligenz ist im Finanzwesen längst keine Neuheit mehr – sie ist zu einem zentralen Werkzeug geworden, um Zeit zu sparen, Fehler zu minimieren und den Impact von Teams zu steigern. Dennoch haben viele Finanzabteilungen den Schritt von ersten Experimenten hin zu nahtlos integrierten Arbeitsabläufen noch nicht vollzogen.
Dieser Leitfaden zeigt eine pragmatische und risikoarme Roadmap auf, mit der Sie sofort starten können.
Warum KI, warum jetzt?
Finanzteams befinden sich derzeit in einer besonderen Situation: Während 85 % der CFOs das Potenzial von KI optimistisch einschätzen, haben 61 % sie bislang nicht in ihre Arbeitsabläufe integriert. Die Hauptgründe? Ein nicht greifbarer ROI, begrenzte Teamkapazitäten und der erhebliche Aufwand bei der Einführung neuer Systeme.
Frühzeitige Anwender:innen erzielen bereits deutliche Vorteile: kürzere Abschlusszeiten, automatisierte Kreditoren- und Spesenprozesse, schnellere Berichterstattung und präzisere Prognosen. Das Ziel ist dabei keine radikale Transformation, sondern eine Abfolge gezielter, messbarer Fortschritte, die sich gegenseitig verstärken.
KI entwickelt sich von der einfachen Spesenkontrolle hin zu vorausschauenden Erkenntnissen, die Manager befähigen, echte Verantwortung für ihre Budgets zu übernehmen.
Pauline Babel, CFO @ SpendeskEine 8-Schritte-Roadmap
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Basierend auf Gesprächen mit Finanzleitern, die KI bereits erfolgreich eingeführt haben, sind hier die wichtigsten Erkenntnisse in einem klar strukturierten Plan zusammengefasst.
Der mögliche Umfang von KI-Initiativen im Finanzwesen kann leicht überwältigend wirken – überall warten potenzielle Effizienzgewinne und Prozessverbesserungen. Der Schlüssel liegt darin, fokussiert und schrittweise vorzugehen.
Schritt 1: Ausgangslage bewerten
Verschaffen Sie sich zunächst einen klaren Überblick über Ihre aktuellen Prozesse: Wo entstehen Engpässe? Wo steckt Potenzial für Automatisierung?
Visualisierungstools wie Miro unterstützen dabei, Arbeitsabläufe transparent darzustellen und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.
Anne-Claire begann damit, ihr Team zu befragen, um die tatsächlichen Herausforderungen zu verstehen. Schnell zeigte sich: Die Lohnbuchungen verschlangen viel Zeit durch manuelle, sich wiederholende Arbeit – ein idealer Kandidat für Automatisierung.
Auf dieser Basis stellte sie eine Liste mit Themen zusammen: eine Mischung aus kurzfristigen Erfolgen und größeren, strategischen Verbesserungen.
„Unser Ziel war es, manuelle Aufgaben zu automatisieren, um die Effizienz des Teams und unserer Prozesse zu steigern. Wir wollten den Monatsabschluss von zehn auf fünf Tage verkürzen, das Reporting automatisieren, 80 % der manuellen Arbeit eliminieren und die Rechnungsverarbeitung von drei Tagen auf einen Tag reduzieren.“ Mit den richtigen KI-Tools, sind all das realistische Ziele.
Ergebnis: Ein priorisierter Maßnahmenplan, der Aufwand und Wirkung gegenübergestellt und ein klar definierter „Quick Win“, mit dem Sie den Einstieg erfolgreich gestalten.
Schritt 2: Mit einem konkreten Anwendungsfall starten
Gerade wenn Sie eigene KI-Lösungen entwickeln, gilt: Fangen Sie nicht zu groß an. Generative KI kann viele Herausforderungen im Finanzwesen lösen, aber es ist deutlich wirkungsvoller, ein konkretes Problem gezielt anzugehen, statt an vielen Stellen nur kleine, unklare Verbesserungen vorzunehmen.
Gabriella fasst ihre wichtigste Erkenntnis so zusammen: „Wenn ich es noch einmal machen könnte, würde ich mit einem kleineren, fokussierteren Use Case starten, um schnelle Erfolge zu zeigen. Man sollte zuerst Vertrauen in die KI-Fähigkeiten aufbauen, bevor man komplexere Prozesse angeht.“
Wählen Sie also eine Ihrer größten Herausforderungen, idealerweise mit hohem Anteil an manuellen, sich wiederholenden Aufgaben. Sobald der erste Use Case funktioniert, können Sie den Ansatz Schritt für Schritt auf weitere Prozesse übertragen.
Schritt 3: Daten bereinigen
Alle befragten Expert:innen waren sich einig: Saubere Daten sind die Grundlage für erfolgreiche KI-Projekte. Fehlerhafte oder unstrukturierte Daten führen hingegen zu unzuverlässigen Ergebnissen – ganz gleich, wie gut das Modell ist.
„Führen Sie ein Datenaudit durch, um die Qualität Ihrer Daten zu prüfen“, rät Anne-Claire. „KI kann nur dann zuverlässig arbeiten, wenn die zugrunde liegenden Daten sauber, zugänglich und gut organisiert sind.“
Paul Jun ergänzt: „Wenn Sie Ihre Datenstrukturen von Anfang an richtig aufsetzen, vermeiden Sie spätere Probleme, wie technische Schulden in der IT. Ein bisschen Prävention spart viel Nacharbeit.“
Und die gute Nachricht: Moderne KI-Tools können auch beim Aufräumen helfen. Sie sind oft schneller und präziser als Menschen, wenn es um das Bereinigen, Formatieren und Validieren großer Datenmengen geht.
Schritt 4: Die richtigen Tools finden
Die Wahl der passenden KI-Tools ist entscheidend für den Erfolg. Was am besten passt, hängt von den Fähigkeiten Ihres Teams, dem Umfang Ihrer Ziele und dem Zeitrahmen für die Umsetzung ab.
Wichtige Fragen, die Sie sich stellen müssen:
- Wie schnell und einfach lässt sich das Tool einrichten und nutzen? 
- Welche Anwendungsfälle deckt es ab? Brauchen Sie mehrere Tools? 
- Ist es skalierbar, auch bei wachsender Datenmenge oder Nutzerzahl? 
- Lässt es sich problemlos in Ihre bestehende Finanzsystemlandschaft integrieren? 
- Wie sicher sind Ihre Daten? Werden sie für Trainingszwecke weiterverwendet? 
Für Gabriellas Team war Benutzerfreundlichkeit entscheidend: „Unser Finanzteam ist nicht besonders technologieaffin, daher haben wir Tools gewählt, die für alle leicht verständlich sind.“
Auch bei Veronikas Team waren einfache Bedienung und gute Integration ausschlaggebend: „Vertex AI ließ sich nahtlos in unsere bestehende Google-Cloud-Infrastruktur integrieren. Wenn neue Tools sich problemlos in bestehende Systeme einfügen, ist das ein echter Gewinn.“
Schritt 5: Einen Pilotversuch durchführen
Starten Sie mit einem klar abgegrenzten, messbaren Projekt und testen Sie die Ergebnisse.Anne-Claire automatisierte zum Beispiel Lohnbuchungen mithilfe von Google Scripts. Das Ergebnis: Der Prozess schrumpfte von einem Tag auf nur 15 Minuten. Dieser schnelle Erfolg sorgte für Schwung und Begeisterung im Team.
Ein Pilotprojekt schafft außerdem Raum für Feedback und Optimierung. Veronika berichtet: „Wir sind anfangs zu schnell vorgegangen. Hätten wir mehr Feedback zu den ersten Prototypen eingeholt, wären Benutzerfreundlichkeit und Zufriedenheit von Beginn an höher gewesen.“
Anne-Claire empfiehlt außerdem, sogenannte „KI-Champions“ zu ernennen, also ausgewählte Mitarbeitende, die vertiefte Schulungen erhalten, erste Projekte begleiten und später als Multiplikator:innen im Team fungieren. So entsteht Know-how organisch, ohne das gesamte Team gleichzeitig zu überfordern.
Schritt 6: Über Teams und Regionen skalieren
Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt kann KI Schritt für Schritt auch auf andere Teams oder Standorte ausgeweitet werden. Wie bei jeder Veränderung braucht es dabei Begleitung, Geduld und Unterstützung durch Ihre KI-Champions.
Anne-Claire organisierte dafür regelmäßige Learn & Develop-Sessions, um Ergebnisse zu teilen und Mitarbeitende zu motivieren, Automatisierung eigenständig in ihre Abläufe zu integrieren.
Als CFO ist es wichtig, die Richtung klar vorzugeben: mehr Wirkung, weniger manuelle Arbeit.
Gleichzeitig sollten Sie Verständnis für die Lernkurve zeigen – der sichere Umgang mit KI kommt mit der Zeit.
Auch für Mitarbeitende ist das ein Karriervorteil: Der Umgang mit KI-Tools wird künftig eine Kernkompetenz im Finanzwesen sein. Wer heute lernt, profitiert morgen.
Schritt 7: Überwachen, optimieren und weiterentwickeln
Die Einführung von KI ist kein einmaliges Projekt. Überprüfen Sie Ihre Tools und Prozesse regelmäßig, um sicherzustellen, dass sie echten Mehrwert liefern. Bleiben Sie über neue Entwicklungen auf dem Laufenden.
Bei selbst entwickelten Modellen ist eine kontinuierliche Optimierung Pflicht. Anne-Claire hält es für wahrscheinlich, dass viele Finanzteams künftig eine neue Rolle brauchen werden, etwa eine:n AI Automation Analyst, der oder die Systeme fortlaufend verbessert und deren Genauigkeit überwacht.
„Die Entwicklung geht rasant. Fast täglich entstehen neue Funktionen und Tools. Planen Sie daher monatliche oder vierteljährliche Reviews, um sicherzustellen, dass Ihre Prozesse weiterhin echten Nutzen bringen.“
Schritt 8: Klare Daten- und Sicherheitsrichtlinien festlegen
Unternehmen sind zu Recht vorsichtig, wenn es um den Umgang mit sensiblen Daten in KI-Systemen geht. Ihr Unternehmen sollte daher eine klare Richtlinie dazu haben, und zwar idealerweise für alle Mitarbeitenden, nicht nur diejenigen im Finanzbereich.
Definieren Sie, welche Informationen mit KI-Tools geteilt werden dürfen und welche nicht. Prüfen Sie die Nutzungsbedingungen genau, und investieren Sie nach Möglichkeit in interne oder kostenpflichtige Lösungen, die Ihre Daten vertraglich schützen.
Veronika erklärt, wie sie das in ihrem Team umgesetzt hat :„Wir entwickeln ein detailliertes Berechtigungssystem, das sicherstellt, dass Nutzer:innen nur auf die Daten zugreifen, die sie wirklich benötigen. Wenn ein KI-Modell eine Anfrage als potenziell kritisch erkennt, wird automatisch die Zustimmung der jeweiligen Führungskraft eingeholt.“
„Unser Google-AI-Ökosystem speichert oder nutzt keine Prompts zu Trainingszwecken – und erfüllt damit die europäischen Datenschutzanforderungen. Außerdem protokollieren wir Nutzeraktivitäten, um spätere Audits und Reviews zu ermöglichen.“
Was in 90 Tagen möglich ist
- Woche 1-2: Prozesse und Daten bewerten, einen wirkungsvollen Use Case auswählen, Basiskennzahlen definieren. 
- Woche 3-6: Daten bereinigen, Tools konfigurieren, Pilot aufbauen, validieren, kleines Kernteam schulen. 
- Woche 7-8: Pilot durchführen, Ergebnisse messen, Anpassungen vornehmen, Rollout planen. 
- Wochen 9-12: Skalieren. Auf einen weiteren Prozess oder Standort erweitern, SOPs dokumentieren, Ergebnisse kommunizieren, regelmäßige Reviews etablieren. 
Beispielhafte KPIs
- Zeitersparnis pro Zyklus (z. B. Kreditorenlaufzeit, Tage bis Monatsabschluss) 
- „Touchless Rate“ (Anteil automatisch verarbeiteter Vorgänge) 
- Fehler- und Nacharbeitsquote 
- Einhaltung von SLA-Zeiten bei Datenanfragen 
- Zeitgewinn für Analyse und Business Partnering 
Bewährte Tool-Ansätze
- Out-of-the-Box-Lösungen für Kreditorenbuchhaltung und Spesen: Plattformen wie Spendesk liefern schnelle Erfolge durch integrierte Extraktion, Kodierung und Abgleich. 
- Co-Pilot-Modelle für FP&A und Reporting: Sprachbasierte SQL- oder Python-Abfragen beschleunigen Datenzugriffe und Szenarioanalysen. 
- Skripting-Brücken: Leichte Python- oder Apps-Script-Verbindungen zwischen Tabellen und Systemen, wenn keine Standardintegration existiert. 
- Dokumentenintelligenz: KI-gestützte Verarbeitung von Verträgen und Belegen zur automatischen Zuordnung und Prüfung. 
Typische Stolperfallen
Auch mit einem klaren Fahrplan können Teams leicht ins Straucheln geraten. Häufige Fehler sind:
- Zu viele Anwendungsfälle gleichzeitig angehen, das verwässert die Wirkung. 
- Datenstandardisierung überspringen, führt zu fehlerhaften Ergebnissen. 
- „Shadow AI“, unkontrollierte Nutzung nicht freigegebener Tools. 
- Modelle einmal aufsetzen und dann vergessen, ohne laufende Optimierung. 
Fazit
Der Einsatz von KI im Finanzwesen ist kein einmaliger Kraftakt, sondern eine Abfolge pragmatischer Schritte. Entscheidend ist, klein zu beginnen, Erfolge sichtbar zu machen und daraus systematisch zu lernen.
Mit klarer Priorisierung, sauberer Datengrundlage und der richtigen Tool-Auswahl entsteht Schritt für Schritt ein wirkungsvolleres Finanzteam – eines, das schneller abschließt, präziser berichtet und mehr Zeit für Analyse und strategische Entscheidungen gewinnt.
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